Harald Dülfer

Hoppla, jetzt komm ich!
Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal

Flugzeuge kleben am »Modernen« Wall
Frische Rosen für die Damen

13. Fortsetzung


Als Paul Dangel 1919 in Oberbarmen sein »Modernes Theater« eröffnete, entstand unter gleichem Namen auch am Wall ein moderner Kinopalast. Repräsentativ an einem der wichtigsten Straßenzüge Elberfelds gelegen, spiegelte sich in der Entwicklung dieses Kinos ein gutes Stück der allgemeinen Filmgeschichte. Denn hier wurde vor allem deutlich, wie groß die Anstrengungen in den zwanziger Jahren wurden, das Publikum durch beste »Showman-Arbeit« mit dem immer noch stummen Film zufriedenzustellen.

Am 21. Februar 1919 erwarb Emil Schilling das Grundstück am Wall und ließ sein »Modernes Theater« errichten. Wie zu der Zeit üblich, war es nach dem Genehmigungsbescheid aus dem Jahre 1920 nicht nur für 916 Sitzplätze zugelassen, sondern wies außerdem auch noch 119 Stehplätze auf. Getragen wurde das Unternehmen durch ein GmbH, deren Gesellschafter Emil Schilling, Köln, und Fritz Genandt, Düsseldorf, waren. Der größte Wert wurde auf die vornehme Ausgestaltung des Hauses gelegt und auf eine große Bühne sowie einen stattlichen Orchesterraum, denn eine Attraktion war sehr bald schon die musikalische Untermalung des Films in diesem Theater.


Eigenes Maleratelier

»Werbung« war das A und O des ganzen Kinogeschäftes. Im »Modernen Theater« am Wall wurde ein Maleratelier errichtet. Zwei Künstler waren die ganze Woche beschäftigt, um mit Pappe, Leinwand und Holz die eigentümlichsten Fassadenverwandlungen hervorzuzaubern. Selbst der »Theater-Verleih« profitierte damals: Bei einem Studentenfilm zogen Arbeitslose in vollem »Wichs« durch die Straßen der Stadt, um die Reklametrommel zu rühren.

Aus dem »Handelshof« engagierte die Kinoleitung mehrfach die komplette Kapelle. Sie baute sich vor der Garderobe auf und spielte (als der Tonfilm gerade erst »ausgebrochen« war) die Schlager des Films, bis wirklich auch der letzte Zuschauer den Saal verlassen hatte. Als »Schwarze Rosen« mit Willy Birgel und Lilian Harvey lief, wurden die Platzanweiserinnen als Blumenmädchen verkleidet. Zu jeder Vorstellung wurden 500 taufrische Rosen aus einem Elberfelder Treibhaus angefahren, mit einem Kärtchen versehen und den Damen als Präsent am Ausgang überreicht.

Als » F.P.1 antwortet nicht« lief, wurden an der Fassade im Atelier gebastelte große Flugzeuge befestigt. Die Propeller trieb ein Elektromotor an. Um den ganzen Hauskomplex spannte sich die kostspielige, aber »durchschlagende« Reklame. Mitunter glich die Kassenhalle in jenen Jahren einer Jahrmarktsbude. Da wanden sich Pappschlangen echte Baumstümpfe empor, lugte ein gefährlich aussehender Attrappentiger aus dem Dschungeldickicht, und das alles, um die Besucher magnetisch an den Kassenschalter zu ziehen, um seinem Auge die ganze verwirrende Fülle und Abenteuerlichkeit eines rechten Kintopps vorzuführen. Das war »Showman-Arbeit«, wie der Amerikaner sagt, eine Reklame, die auf der Straße begann, um die eiligen Passanten aufhorchen zu lassen, und die erst in der Kassenhalle endete.


Tonfilm wird Wirklichkeit

Und dann eines Tages war es soweit. Die Filmbesucher wurden müder von Woche zu Woche. Die Filmateliers arbeiteten auf Hochtouren, um mit dem Tonfilm das immer flauer werdende Geschäft mächtig anzukurbeln. Wieder waren es drei Deutsche: J. Massolle, H. Vogt und Dr. J. Engl, die das Hauptproblem lösten: Die Schallwellen wurden in elektrische und diese wiederum in Lichtwellen verwandelt. Diese Lautlichtwellen wurden auf dem Wege der Rückübertragung wieder mit Hilfe eines lauttönenden Telefons, dem Itaphon, hörbar gemacht.

Wenige Tage nach der Uraufführung im Januar 1924 in Berlin lief »Die Zaubergeige« als erster deutscher Tonfilm im Elberfelder »Scala-Theater«. 17 Tage lang staunten die Wuppertaler und begeisterten sich erneut für das Wunder des endlich tönenden Films. Dem Siegeszug des Films stand nichts mehr im Wege.

Sie lesen morgen:
Im Galopp ins Boudoir
Der tolle Bomberg
Wie »Odin« und »Thalia« wurden