Harald Dülfer

Hoppla, jetzt komm ich!
Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal

»Im Salamander« wird Filmtheater
Tonfilm füllt alle Kassen

16. Fortsetzung


Die große Arbeitslosigkeit, die 1932/33 auch in Wuppertal ihren Höhepunkt mit über
58 000 Erwerbslosen erreichte, hatte die Substanz vieler Kinos zerfressen. So war Eugen Schultheiß nach seiner Ausbildung beim Verleih »Parufamet" (Paramount, Ufa und Metro-Goldwyn-Mayer, damals noch zusammengeschlossen) 1934 der einzige Interessent, der das unrentable »Odeon« in der Poststraße ersteigerte. Die Apparate in der Vorführkabine stammten aus der Anfangszeit des Stummfilms!

Die Staffel mit »Mata Hari« als Glanzstück hatte Eugen Schultheiß an das »Odeon« nicht verpachten können, dafür hatte er nun selbst ein Kino. Und das junge Mädchen, das ihm das Hauptbuch ihres bankerotten Chefs vorgelegt hatte, wurde nicht nur seine Mitarbeiterin, sondern später auch die fachlich vorbelastete Ehefrau.


Erwerbslose: 35 Pfennig

Zunächst verwandelte sich herzlich wenig im »Odeon«. Nur zu einer neuartigen Neon-Beleuchtung langte es, als Schultheiß am 23. November 1934 wiedereröffnete. Die Tageseinnahme aus drei Vorstellungen betrug sage und schreibe 72,70 RM. Der junge Kinobesitzer war verzweifelt. Wenn Besucher kamen, dann Erwerbslose, die nur 35 Pfennig für den Platz zu bezahlen brauchten. Erst am zweiten Weihnachtstag geschah das Wunder: Das Kino wurde buchstäblich gestürmt. Von da an »lief der Laden«. Das »Odeon« wurde renoviert, und das Bankkonto schwoll langsam aber stetig an. Da er seine Stellung beim Verleih behalten hatte, saß Schultheiß an der Quelle und holte sich die besten Filme ins Theater.


Kinoblüte begann

Genau 50 Wochen nach Eröffnung des »Odeon« konnte er bereits von Eduard Kirchhoffer die Barmer »Westfalia« ankaufen und am 7. November 1935 als »Lichtburg« eröffnen. Das Theater war – etwas Neues – durch Scheinwerfer am Abend taghell angestrahlt. Daher »Lichtburg«. Die gegenüberliegende »Ufa« folgte dem »Lichtbeispiel« schnell, und es entspann sich zwischen den beiden Häusern ein Wettlauf um die zugkräftigsten Filme. Schultheiß hatte einen heute noch von vielen Theaterbesitzern praktizierten Einfall: Er koppelte die Erstaufführung in der »Westfalia« mit dem »Odeon« und verbuchte ein sicher florierendes Geschäft. Die Stellung bei der »Met« hatte er inzwischen aufgeben können. Eduard Kirchhoffer behielt im »Lichtburg«-Komplex die gute alte »Barmenia« und führte sie als Kino weiter.


Kipdorf war verstopft

Am 27. September 1937 war Schultheiß so weit, daß er das Angebot Leo Hänslers annehmen und das Variete- und Spezialitätentheater »Im Salamander«, wo jahrelang der Film als »Rausschmeißer« die Programme beschlossen hatte, in ein modernes Kino umbauen konnte. Das ausfahrbare Dach, einst eine Attraktion dieses Theaters, mußte einer Neukonstruktion weichen, die dem Kinosaal angepaßt war. »Im Salamander« wurde zum Filmtheater »Apollo«.

Über 500 Menschen drängten sich am Premierentag vor dem Eingang, dabei waren die Kinosessel zu zwei Dritteln bereits an geladene Gäste vergeben! Kein Wagen konnte mehr durch Kipdorf. Es herrschte ein beängstigendes Gedränge. Aus dem nahgelegenen Lokal »Posthorn« mußten sämtliche Wirtshausstühle entliehen werden, um alle Besucher unterzubringen.

Die große Zeit der Wuppertaler Kinos begann. Ufa, Terra, Tobis, Bavaria vergrößerten immer mehr ihre Filmangebote. Mit dem künstlerisch verbesserten Tonfilm füllten sich wieder die Kinos und die Kassen. Am 31. August 1939 konnte das »Odeon« nach grundlegendem Umbau und wesentlicher Erweiterung den gestiegenen Ansprüchen des Publikums angepaßt werden. Eugen Schultheiß hatte sich endgültig durchgesetzt, da mußte auch er Soldat werden.

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