Harald Dülfer
Hoppla, jetzt komm ich!
Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal
Die Ufa prescht vor
Junger Mann hat Mut
15. Fortsetzung
Mit dem Tonfilm blühte auch die »Ufa« auf. Sie dehnte sich auf den ganzen Filmmarkt aus. Ihr Ziel: möglichst große Filmausnutzung in möglichst vielen eigenen Kinopalästen des Landes. Schon 1928 erfolgte der Einbruch dieses lange Jahre den deutschen Filmmarkt beherrschenden Konzerns in Wuppertal: Im September 1928 gingen die Erbauer des »Modernen Theaters am Wall«, Emil Schilling, Köln, und Fritz Genandt, Düsseldorf, durch Abgabe von 50 vH ihrer Beteiligung eine Interessengemeinschaft mit der »Universum Film AG« ein, die bis Juni 1945 währte.
Doch dieses Theater in Wuppertal in der Hand der »Ufa« war nur ein Anfang. Eduard Kirchhoffer war mit seinem »Union-Theater« in Barmen nicht mehr zufrieden. In der Zeit der großen Arbeitslosigkeit erforderte das Filmgeschäft zu hohe Aufwendungen und Reserven. Das Angebot der Universum war verlockend. Aus dem »Union-Theater Barmen« wurde der repräsentative »Ufa-Palast«.
Hans Werner, ehemals Artillerie-Offizier, wurde Direktor des »Ufa« und später auch des »Modernen am Wall«. Das 1100-Platz-Theater in Barmen wurde schnell das »Kino der besseren Schichten«, wie es damals so schön hieß. Nicht zuletzt kam dies durch Direktor Werner, der in unvergleichlicher Noblesse im Foyer des Theaters die Honneurs machte.
Der Stil des Hauses war so auf Vornehmheit abgestellt, daß sich die Damen im Parkett während eines Films nur verstohlen anstießen und zuflüsterten: »Wie niedlich, sieh’ mal da, die vielen Kätzchen.« Daß ein ganzer Zug fetter Ratten durchs Theater zog – darauf wäre niemand gekommen. Die Theaterleitung war an dem geheimgebliebenen Mißgeschick schuldlos: Wupper-Hochwasser und eine Heizungsrohrverlegung waren die Schuldigen.
Auch ein Brand führte nicht zur Panik: Willi Bertram stand mit einem Kollegen an der Vorführmaschine, da schlug plötzlich eine Stichflamme auf den zweiten Apparat über. Zu retten war nichts mehr. Die Sicherheitsklappen fielen und der Vorführraum war hermetisch und sicher vom vollbesetzten Zuschauerraum abgeschlossen. Das Unglück war durch einen Filmstreifen entstanden, der sich in der Trommel verklemmt hatte und gerissen war. Einige Jahre später wurde auch der »Odin-Palast« der Ufa angeschlossen und zu guter Letzt das »Capitol«, als es noch unter Breidenbachs Leitung stand.
Der Tonfilm hatte den Kinos zwar einen neuen Auftrieb gegeben, aber der Geschäftsgang litt jahrelang unter der verheerenden Arbeitslosigkeit. Einige Zahlen kennzeichnen die Situation: 1930 wies Wuppertal über 20 000 Arbeitslose auf, zu Ende des Jahres schon über 37 000, im folgenden Jahr über 51 000, dann über 58 000. Inflation und Erwerbslosigkeit hatte manche Kinoexistenz vollkommen ausgehöhlt.
In dieser Zeit reiste Eugen Schultheiß (damals 23 Jahre jung) für die Metro-Goldwyn-Mayer durch Westdeutschland und wollte ein Filmstaffel mit »Mata Hari« als Schlager in Zweitaufführung vermieten. Wuppertal war ihm unbekannt. Der Zufall wollte es, daß er ins »Odeon« in der Poststraße stolperte. Trotz der guten Lage: Die Kinoleitung konnte nicht mehr zahlen. »Zeigen Sie mir doch einmal Ihr Hauptbuch«, bat der junge Mann und stellte nach wenigen Minuten erschrocken fest: »Mann, Sie sind ja pleite.« Der »Odeon«-Inhaber wußte es. Er ließ sein Kino versteigern.
Aber wer wollte 1934 schon Kino-Besitzer werden? Versteigerer B. Köpchen stand allein dem jungen Mann gegenüber, der verstohlen noch einmal das sauer ersparte Bündel Geldscheine zählte, sein Angebot machte, den Zuschlag mit der Aktentasche auf einem Kinostuhl erhielt und nun sehen konnte, wie er mit seinem »Odeon« fertig wurde.
Der erste Gang führte in den Vorführraum: Dort stand ein Bildwerfer mit Kettenantrieb, darunter baumelte an einem Strick eine verbeulte Konservendose. Sie fing das stetig tropfende Maschinenöl auf, damit es alle zwei Stunden wieder in die Maschine geträufelt werden konnte. Die Apparate waren aus der Stummfilmzeit und notdürftig auf Tonfilm umgestellt worden. Das fand Eugen Schultheiß vor. Er wurde trotzdem mit den Schwierigkeiten fertig, weil sich sein Erfolgsrezept bewährte.
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»Salamander« wird Filmtheater
Tonfilm füllt alle Kassen
»Die neue Zeit«