Harald Dülfer
Hoppla, jetzt komm ich!
Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal
Galopp ins Boudoir
Der Tolle Bomberg
Wie Odin und Thalia wurden
14. Fortsetzung
17 Tage lang lief im Januar 1924 bereits im »Scala-Theater«, dem heutigen »Capitol«, der erste Film, der nicht mehr von Erklärern und Klavierspielern illustriert zu werden brauchte. Er sprach selbst, wenn auch unbeholfen noch und kümmerlich in der Wiedergabe. Aber die Revolution auf dem Filmmarkt kündigte sich an. »Die Zaubergeige« war der Tonfilmversuch der »Triergon«. Hinter diesem Namen verbarg sich die Forschungsarbeit der Deutschen Masolle, Vogt und Engl. Auf dem »Werk der drei« baute sich der Tonfilm auf. Über 300 Patente sollte die Pionierarbeit schützen. Deshalb war »eine Vorführung in den besetzten Gebieten verboten«. Die einzige Kopie des kleinen tönernen Streifens mußte zurück nach Berlin.
Der Durchbruch zum Tonfilm war damit aber noch lange nicht erfolgt. Das Stummfilm-Programm beherrschte auf Jahre weiterhin den Kinomarkt. Nur der »UFA«-Konzern ließ weiter an der Tonfilmentwicklung arbeiten und brachte »Das Mädchen mit den Schwefelhölzern« heraus. Es »krächzte« sich zwei Tage lang im Berliner Theater am Nollendorfplatz zu Tode und fiel beim Publikum glänzend durch. Die Tonaufnahmen waren gut, aber die Wiedergabe war technisch noch so unvollkommen, daß die Triergon-Leute ihre Apparate verschrotten konnten. William Fox, der große amerikanische Filmmagnat, kaufte alle greifbaren Patente auf. 1925 begann die Umstellung auf den Tonfilm im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten. In der allgemeinen Filmproduktionskrise der Jahre 1927/29 brach dort der Tonfilmtaumel aus. 1928 eroberte »Der Jazzsänger« und »Der singende Narr« Al Jolson die Welt.
Dem Beispiel der amerikanischen Konzerne folgte auch die deutsche Elektroindustrie mit Siemens und Halske, der AEG und der Telefunken. Sie ließen die »Tobis-Klangfilm« entstehen, die 1929 die ersten kleineren Tonfilme auf den Markt brachte. Zuvor hatte ein erbitterter Patentkrieg mit Amerika durchgestanden werden müssen. Die Rechtslage wurde klar entschieden: Die Tonfilmpatente waren nur für die Ausnutzung in Amerika freigegeben worden. Sie durften in Deutschland und Europa selbständig ausgewertet werden, da sie für diesen Kontinent juristisch in der Verfügungsgewalt ihrer Erfinder geblieben waren. »Melodie des Herzens«, ein Ufa-Film mit Willy Fritsch und Lil Dagover brachte Ende 1929 die Erfüllung der deutschen Tonfilm-Hoffnungen. Der »neue Film« hatte endgültig gesiegt.
Mitten in diese große Zeit des Aufbruchs fallen zwei wesentliche Kinoneugründungen in Wuppertal: »Odin-Palast« in Barmen und »Thalia-Theater« in Elberfeld. Im Dezember 1928 eröffnen die Brüder Eugen und Max Wenner auf der Berliner Straße den »Odin-Palast« mit dem großen Stummfilmschlager »Wolga, Wolga«. Das Haus hat eine lange Geschichte. Ein Fabrikant Vorwerk hatte hier wahrhaft »residiert«. Mit seinem Reitpferd galoppierte er des morgens nach dem Ausritt hufeklappernd in den Hof des Anwesens und wagte einen kühnen Sprung in den marmornen Vorraum des Hauses, die Stiegen hinauf ins Boudoir. Seine Eskapaden brachten ihm im bürgerlichen Barmen den Ruf eines »tollen Bombergs« ein. Die Pracht des Patrizierhauses ist trotz modernster Einrichtungen und Umbauten im Aufgang zum Rang noch bis heute erhalten geblieben. Noch ist der Keller mit Fliesen verkleidet. Gegenüber dem Kino blieb in der von-Eynern-Straße das Kutscherhaus mit der Wagenremise bestehen. Der Kinosaal liegt über dem einstigen gepflegten Vorwerkschen Gartengrundstück des Hauses. Im einzigen Kino in Westdeutschland erklingt dort seit 1947 noch immer die große Kinoorgel, von Kapellmeister Robert Schäfer gespielt.
Robert Riemer, der jetzt in New York drei große Filmpaläste besitzt, baute das 1907 als Variete eröffnete »Thalia-Theater« am Islandufer 1928 zum Kino um. Es wurde das größte des ganzen Tales. Verbindet sich mit dem »Odin« die Erinnerung an die Tradition eines Barmer Patriziergeschlechts, so mit dem »Thalia« eine bunte Varietegeschichte und die wache Erinnerung an ein Kapitel der Wuppertaler Theatervergangenheit. Die Schauspiel- und Operettenaufführungen im »Thalia« waren um 1909 bereits von so hohem künstlerischem Niveau und von so großer Zugkraft, daß sie dem Elberfelder Stadttheater ganz erhebliche Konkurrenz machten. Rauschende Operetten-Inszenierungen gingen in diesem Haus mit dem Glanz und der verschwenderischen Ausstattung großer reisender Ensembles über die Bühne und bewogen die aufhorchenden Stadtväter, die Subventionen für das städtische Theater erheblich zu erhöhen. Trotzdem: Direktor Wermer und Intendant von Gerlach brachten sogar unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg noch einmal eine Hochblüte der guten alten Operette. Orchester und Weltstadt-Variete, das waren und sind noch heute der glanzvolle Rahmen der Filmvorführungen in diesem »Thalia-Theater«, das inzwischen in Ufa-Regie überging.
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