Harald Dülfer

Hoppla, jetzt komm ich!
Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal

Salamander-Eröffnung mit O. Reutter
Goebbels warf Stinkbomben

4. Fortsetzung


»Die Reise zum Mond«. Das war der Titel des ersten Films, der schon 1899 »Im Salamander« am Kipdorf in Elberfeld lief. Vorgeführt wurde er von J. Hänsler und seinem 16jährigen Sohn Leo. Das von Varieté-Attraktionen verwöhnte Publikum tobte vor Begeisterung. Jean und Leo Hänsler wußten: »Das bleibt unsere Schlußnummer. Das ist der richtige Abschluß eines jeden Varieté-Programms.« Der Film hatte auf viele Jahre in Elberfeld seine große »Aufgabe« erhalten: Er war der klassische »Rausschmeißer«.

Den Optimismus der Amerikaner aber konnte in Deutschland niemand teilen. »Film-Theater« wurden erst viele Jahrzehnte später verwirklicht. Um die Wende des zwanzigsten Jahrhunderts war die größte Attraktion neben dem Theater immer noch das Varieté. Und hier in Elberfeld war ungekrönter »König« Jean Hänsler. 1887 hatte Matthieu Reynardts den Betrieb »Im Salamander« eröffnet. Es wurde von ihm vorwiegend als Café- und Konzerthaus geführt. Am 1. März 1898 ging er an Jean Hänsler über, der als Agent der berühmtesten Artisten großen Ruhm erlangt hatte.


»Das kommt nie wieder«

Alte Wuppertaler denken mit Wehmut an jenen »Salamander«. Der mit ausfahrbarem Dach versehene große Saal war für damalige Begriffe eine technische Meisterleistung. In der Kühnheit seiner Konstruktion suchte er seinesgleichen.

In bescheidenem Rahmen hatte schon Reynardts eine »Spezialitätenbühne« errichtet, nachdem sein Unternehmen durch die Karnevalsgesellschaft »Fidelio« etwas Auftrieb erhalten hatte. Jean Hänsler als »alter Fuhrmann« auf dem Gebiet des Varietes konnte sich damit nicht begnügen. Er baute das Theater völlig um, schuf eine für damalige Begriffe übersichtliche moderne Innengestaltung und vor allem eine große Bühne, auf der bald Künstler aus aller Welt für kurze Zeit heimisch werden konnten.

Wuppertals viel verehrter Heimatdichter Friedrich Storck war ein alter Freund Jean Hänslers. Oft saßen die beiden alten Herren in einer der gemütlichen Kneipstuben des Kipdorf zusammen. Zur Eröffnung des renovierten »Salamander« sandte der Dichter seinem Freund ein Poem, das kein geringerer als Otto Reutter vortrug:

Zu fliehn des Lebens wirre Träume
die Wirklichkeit der Alltagspein
Lud uns in seine trauten Räume
Der »Salamander« heute ein...«



Immer neue Streifen

»Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen«, nach diesem Motto mischten Jean und Leo Hänsler das »Salamander-Programm«: Erstklassige Artisten und Humoristen, große Gastspielbühnen und immer wieder: Am Abend des Programms ein neuer Filmstreifen.

Aus der Kölner Altstadt holte sich Jean Hänsler zum ersten Mal die berühmte Millowitsch-Bühne, die vor wenigen Tagen erst wieder mit großem Erfolg im »Thalia-Theater« gastierte. Während sich die Zuhörer noch die Lachtränen abwischten, drückte Jean seinem alten Freund, dem Begründer dieser deftig-derben Bühnendynastie kurz nach der Jahrhundertwende die Augen für immer zu. Der Künstler starb mit einem Lächeln auf den Lippen, denn in seinen Ohren hallte bis zur letzten Sekunde das frohe Lachen der »Salamander«-Besucher. Aber auch revolutionäre Bühnenwerke wie die »Dreigroschenoper« gingen hier in Szene. Selbst dann noch, als die »Braunen Herren« im Begriff standen, die Macht an sich zu reißen.


»Schirmherr« bezog Prügel

Ein toller Skandal wurde bei der ersten Aufführung eines Zuckmayerschen Werkes arrangiert. »Jüppchen« Goebbels hatte sich mit seiner Clique auf dem Rang festgesetzt und warf Stinkbomben mitten in den »Fröhlichen Weinberg«. Da aber wurden die in der »Badewanne« (Parkett) lebendig und der spätere »Schirmherr des Films« bezog Prügel, die ihm das Wuppertal fortan ganz gründlich verleideten. »Der fröhliche Weinberg« aber wurde wochenlang weitergespielt. Unter Polizeischutz!

Doch das war alles schon lange nach dem Tode von Jean Hänsler (1921). Sohn Leo leitete das Haus mit seinem Bruder zusammen noch bis 1935 und verpachtete es 1937 an den jungen Schultheiß, der mit Elan dem »Salamander« eine neue Linie gab und die Umstellung auf ein reines Filmtheater vornahm.

Während im »Salamander« noch der Film als »Rausschmeißer« die großen Variete-Programme abschloß, war die Entwicklung zu den frühen Filmtheatern in Wuppertal bereits rüstig fortgeschritten. Eines der interessantesten Kapitel der Wuppertaler Filmgeschichte hatte schon begonnen.

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