Harald Dülfer

Hoppla, jetzt komm ich!
Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal

Für einen Film 1000 Mark
Flimmerkiste wird »Monopol«

8. Fortsetzung


Bis 1914 beherrschten die kleinen »Ladenkinos« das Feld. Im 1 000-Platz-Theater »Union« in Elberfeld versuchte Klavierspieler Günzel damals schon, stummen Film zu attraktiven Tönen zu verhelfen. Er brauchte dazu dreierlei: Ein Grammophon mit einem halben Dutzend Platten, eiserne Nerven und eine große Portion Glück. Nach und nach verschwanden die kleinen Theater fast ganz von der Bildfläche. An die Stelle der Wirtssäle traten normale Kinobauten mit einem richtigen Kassengebäude, einem schmucken Aufgang, Kinostühlen und sogar mit einem Balkon.

Es waren nicht die großen Film-Theater, die den »Ladenkinos« die Luft abschnürten, sondern die gestiegenen Preise. Rund 200, auch 300 und bei »Monumentalfilmen« 400 Mark mußten vom Kinobesitzer dem Verleiher auf den Tisch gezahlt werden. Das Geld spielte sich leicht mit einem schönen Profit wieder ein. Aber bis 1914 ware die Preise schon auf 600 Mark geklettert. Ein »Luna-Lichtspielhaus« konnte da noch gerade mithalten. Als aber innerhalb weniger Monate für die größeren Kassenfilme bis zu 1000 Mark bezahlt werden mußten, lohnte der Betrieb nur noch eines Kinos von der Art der »Union« in der Herzogstraße.


Nicht mehr lukrativ

Frau Johanna Meyer, die der Filmentwicklung in Wuppertal mit ihrem »Volkstheater« und ihrem »Luna-Lichtspielhaus« zum Start verholfen hatte, erkannte sehr früh die Marktlage, gab ihre Kinos auf und eröffnete 1914 das Lokal, das heute noch in Elberfeld unvergeßlich geblieben ist, nämlich das »Krokodil«. Es stand bis zur völligen Vernichtung beim Luftangriff auf Elberfeld an der Stelle, wo heute der Besitzer des »Capitol«, Hans Gille, in der Poststraße sein neues Kino erbaut, das vornehmlich der Pflege studioartiger Spitzenfilme dienen soll
Johanna Meyer verwandelte die Oberräume ihres »Krokodils" stilgerecht in eine Alt-Elberfelder Ratsstube aus dem 16. Jahrhundert. Hier tafelten die Honoratioren der Stadt und unterhielten Stammtische, an denen mancher Humpen geleert wurde, bis früh im Morgengrauen die ersten Hähne krähten.


Wer nicht im Krokodil …

Hier passierte es einem – inzwischen längst verstorbenen – Amtsgerichtsrat, daß er nach fröhlicher Feier das Lokal kaum drei Stunden verlassen hatte, als die gewichtige Wirtin schon vor ihm am Island als Zeugin erschien. »Gute Frau, schlafen Sie denn nie«, fuhr der gähnende Herr Rat Frau Meyer an und sorgte dafür, daß sie ihre Aussage in einem harmlosen Zivilstreit schnell hinter sich bringen konnte. Dann befahl er barsch: »Jetzt aber marsch ins Bett, daß sie mir nicht fehlen, in unserer Runde heute abend!« Es ging halt recht familiär und kreuzfidel zu im alten »Krokodil« zwischen den Kriegen. Bis 1945 hieß es noch stets: »Wer nicht im Krokodil gesessen, der ist nicht in Elberfeld gewesen«.


Kino in der Fabrik

In Barmen schloß sich an dieses Kapitel der Filmgeschichte fast nahtlos das nächste an. Als ersten echten Kinobau in Oberbarmen eröffnete Paul Dangel 1916 seine »Monopol-Lichtspiele«. Sie wurden als Familienbetrieb geführt. Paul Dangels Bruder war schon mit 16 Jahren der jüngste und versierteste Filmvorführer, der mit einem Zeugnis von Oskar Messter ausgestattet war. Seit 1914 hatte in den Parterreräumen der Firma »Bemberg«, in der Berliner Straße 100, ein Schmalfilmprojektor gesurrt. Aber erst durch Dangels Umbau wurde aus der »Flimmerkiste« ein wirkliches Kino.
Das »Monopol« wurde zu einem Anziehungspunkt für Oberbarmen. Im dritten Kriegsjahr war der Film fast ausschließlich ein erschwingliches Vergnügen, das von den Sorgen des Tages ablenkte. Die Firma Bemberg konnte zu dieser Zeit einige ehemalige Produktionsräume gut entbehren und gab dem Sohn des kernigen, arbeitsamen Remscheider Werksmeisters gern die Erlaubnis, hier ein wirklich schönes und für damalige Begriffe modernes Kino zu errichten.

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