Harald Dülfer
Hoppla, jetzt komm ich!
Ein halbes Jahrhundert Kintopp in Wuppertal
»Union« löst die Ladenkinos ab
Tonfilm auf eigene Faust
7. Fortsetzung
Polizeikommissar Will aus Elberfeld war ein ständiger Gast im »Volkstheater« und im »Luna-Lichtspielhaus«. Und nicht nur Frau Meyer, die beide Häuser leitete, hatte oft ihre liebe Not mit dem gestrengen Herrn von der Polizei, die sich um 1911 wahrlich noch »um alles« kümmern mußte. Auch die anderen Filmtheaterbesitzer, die mit ihr zusammen Kinos oder Ladengeschäfte eröffnet hatten, mußten ihn als »Zensor« respektieren.
Aber trotz der vielen Schwierigkeiten: Die Kinos blühten, wuchsen und gediehen zusehends. Schon konnte Frau Meyer ihr »Luna« ausbauen. Das 300-Platz-Theater wies bereits »Komfort« auf. Dem Kinosaal schloß sich direkt eine Stehbierhalle an! Und die Stammgäste dort, die so manchen halben Liter die immer trockene Kehle hinunterrinnen ließen, warfen einen Blick von der Theke hinter den Vorhang direkt auf die flimmernde Leinwand.
40 und 60 Pfennig kostete der Eintritt bei der Frau »Luna" des Elberfelder Films. Man konnte das Filmtheater getrost mit der brennenden Zigarette betreten und sogar eine dicke Brasil rauchen, während oben auf der Bühne die Helden mit einem Lächeln auf den blassen Lippen ihren letzten Schnaufer taten. Daß es bei den vor Aufregung oft genug zwischen den Stühlen ausgeklopften Pfeifen dauernd zu kleinen Fußbödenbränden kam, brachte niemanden in Unruhe. Nicht einmal den Herrn Polizeikommissar Will. Als sich die harmlosen Feuerchen häuften, schaute er eben nicht nur jeden Tag einmal herein, sondern ließ seine Runde jede Stunde im »Luna« enden. Und seine Kollegen machten es bei »ihren« Kinos genauso.
Doch trotz des guten Geschäftes waren die Tage der kleinen Kinos gezählt. Als das »Union-Theater« 1914 in der Herzogstraße aufmachte, stellte Johanna Meyer ihre Kinobetriebe ein. »Brodmeyers-Kino« hatte zu der Zeit schon längst seine Pforten schließen müssen. Auch die Hochblüte der anderen kleinen Kinos war unwiederbringlich dahin. Dabei hatte in jenen Jahren, da Johanna Meyer so gute Geschäfte machte, auch viele andere einen stürmischen Aufschwung genommen, so auch ein Herr Jungbluth, der das »Monopol« in der Morianstraße leitete (dort, wo die alte Post stand). Das Kino in der Herzogstraße, wo früher Café Hülsmann für gesellige Runden sorgte, und einige andere »Ladenkinos« mußten hart um ihre Existenz kämpfen. Ihre Hochblüte war zu Beginn des ersten Weltkrieges unwiederbringlich dahin.
1 000 Sitzplätze wies das »Union« auf. Und erstmalig gab es eine Unterteilung zwischen Parkett und Balkon. Das war ein Komfort, der größere Einnahmen und damit höhere Leistungsfähigkeit garantierte. Klavierspieler Günzel hatte zudem einen guten Einfall: Ihn langweilten die stummen Filme. Auf eigene Faust sorgte er für einen»Tonfilm«, bevor die Techniker das Problem des »sprechenden Films« gelöst hatten.
Stets hatte er ein Sortiment Grammophonplatten zur Hand. Immer perlten ihm vor Aufregung der Schweiß von der Stirn, denn blitzschnell wechselten die Szenen, und nur wenige Takte einer Melodie paßten zu der Stimmung, die die Größen des stummen Films gerade auf der Leinwand produzierten. Wenn eine Liebesszene kam, stoppte Herr Günzel die schönste Platte und programmäßig kam »Puppchen, du bist mein Augenstern« auf die Walze.
Aber das »Puppchen« auf der Leinwand klimperte immer dann völlig unprogrammäßig schreckhaft mit den Wimpern, wenn der Vorführer seinen »eiligen Tag« hatte und die Kurbel rasen ließ, daß alle Liebesszenen im Dauerlauf erledigt werden mußten. Es war eben nicht ganz leicht, dem Film auf diesem Weg zu einigen Tönen zu verhelfen. Aber Spaß machte es doch. Dann nämlich, wenn es wirklich einmal klappte und das »Puppchen« so lange verliebt tat, bis Günzels Platte abgelaufen und die nächste aufgelegt war.
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